cf. vtdpius, Urothan. 796 U e b e r Uret han. Von Dr. G. Vulpius. Nahezu a110 in letzten Jahren, sei es versuclisweise, sei es definitiv in den Arzneischatz aufgenommenen ncuen Mittel waren Antiseptica , Antipyretica , Anbthetica odcr endlich Hypnotica. Zu dieser letateren Gruppe gehijrt auch das gegenwhtig nocli im Versuchsstadium befinclliche, aber, wie cs sclieint, 811 einer nicht unwiclitigen Rolle beriifene Uretliari oder , wie man, da Urethan eigentlich ein Gattungsname ist, genauev pficisirend sagen miisste, das Aethylurethan. Man bezeichnet mit dem Namen der TJrethane siimmtliche Aether der Carbamins5iu-e. Letzterc ist aufzufassen als ein Ainidderivat dcr zweibasischen Kohlensiiure , worin ein Hydroxyl durch Amid crsotzt ist. Die Beziehungen der Carbamins5ure znr HohlensBiire cinerseits, zum Carbamid oder Harnstoff andererseits ergeben sich ails folgender Darstellung : = KohlensSiure. Carbaminsiiure. = HarnstoR. Das Ammoniiimsalz der im freicn Zustandc noch nicht erhaltenen Carhamins5nre findet sich bokanntlich in dem kAuflichen kohleusawen Ammonium, wclches als eine Verbindung glcicher Nolekule saiweii kohlensauren und carbaminsauren Ammoniums zu betrachten und dementsprechend NIX4 . H . C 0 3 N H 4 0 . NE12 . CO zu schreiben ist. Man weiss ja auch lingst, dass die in schlecht verschlossenen GcfBssen unter Bildung cines weissen pulverigen Ueberzuges der einzelnen Stiicke stattfindende Zersetzung des kguflichen kohlensauren Ammoniums auf einer Spaltung desselben in jene beiden Salze beruht , wobei das carbaminsaure Ammonium in Ammoniak und Eohlen&iureanhydrid zerfdlt nach der Gleichung : NH40 . NHe . CO = 2NHS C 0 2 , wghrend saures kohlensaures Ammonium zuriiclibleibt. Rascher und ohne weitere Zersetzung wird das carbaminsaure Ammonium von letzterem Begleiter getrennt durch Behandeln mit starkem Weingeist, welcher nur jenes aufnimmt. In dcr Regel wird jedoch das carbaminsaure Ammonium durch gleichzeitiges Einleiten von KohlensBureanhydrid und Ammoniak in absoluten Alkohol erhalten , wobei Wasser sorgfiiltig fernznhalten ist , da sich mit ihm das Salz sofort in kohlensaures Ammon nmsetzt. = + + G. Vulpius , Urethan. 797 Dieses Alles ubrigens nur nebenbei, denn es bildet das carbamiiisaure Ammonium keineswegs den Busgangspunkt zur Herstellung der Urethane. Man erhllt letztere vielmehr auf verschiedenen anderen Wegen, wobei stets der Wasserstoff im Hydroxyl der Carbaminsaure durch ein einwerthiges Alkoholradical ersetzt erscheint. So kann man beispielsweise das Methylurethan erhalten durch Einleiten von Chlorcyan in Methylalkohol, wahrend eine allgemeinerer Anwendung fahige Methode sich der Einwirkung von Ammoniak auf die Kohlensaureather oder Chlorkohlensaureather dkr Alkoholradicale bedient. Auf diese Weise resultirt aus Kohlensauremethyllther und Ammoniak Methylurethan und Methylalkohol: CO<OCH3 O C H ~ NH3 = C O < g A , CH3. OH + + und aus Chlorkohlensauremethyllther und Ammoniak Aethylurethan und Salzsaure : Der Weg, welchen die chemische Industrie einschlagt, um sich Urethan in grijsseren Mengen zu verschaEen, ist jedoch keiner der bisher angegebenen, sondern es besteht derselbe in einem der Fabrikation angepassten Ausbau der Methode, welche B u n t e schon 1869 in den ,,Annalen der Chemie und Pharmacie" angegeben hat. Nach ihm 1Lst man salpetersauren Hamstoft' im geschlossenen Rohr bei 120 O - 1 3 O o einige Stunden lang auf einen massigen Ueberschuss von Aethylalkohol einwirken. Dabei vollzieht sich folgende Reaction : CONaH4.N 0 3 H = salpetersaurer Harnstoff NH2 + "F}0 = NH4N03+ CO<OCBH5 AethylAlkohol Ammon: nitrat Aethylurethan. Nach dem Erkalten findet sich eine krystallinische Masse VOI', welche man in Wasser liist, um dann die Lijsung mit Aether auszuschiitteln. Die beim Terdunstenlassen erhaltcnen Krystalle sind Urethan welches noch durch Destillation und Umkrystalliren gereinigt wird. Das Aethylurethan, NH2 . C 0 2 . C*H6, welches zur Zeit schlechtweg a18 Urethan bezeichnet wird stellt ausgebildete , saulen - und tafelfiirmige farblose Krystalle dar , welche beinahe geruchlos sind und einen eigenthiimlichen salpeterartigen, jedoch in Liisung weder , , , G. Vulpius, Urethan. 798 unangenehmea, noch besonders starken Geschmack besitzen. Auf 49 -50 erwikmt, schmelzen dieselben, es zeigt ubrigens das Urethan die Erscheinung der Ueberschmelzung in ziemlich ausgepragter Weise, so dass es, einmal geschmolzen, weit unter den angegebenen Sciimelzpunkt abgektihlt werden kann , um dann bei Erschutterang u. dergl. pliitzlich zu einer festen Masse zu erstarren, was bei der fur die Praxis unerlasslichen Schmelzpunktsbestimmung wohl zu beachtea ist. Der Siedepunkt liegt bei etwa 110 O und es entwickeln sich dabei Diimpfe , welche angezundet mit blaulicher Flamme brennen und sich an kalten Gegenstanden zu feder- und sternfiirmig gruppirten Krystallen verdichten. 81s vollstindig und unzersetzt fluchtig ist somit das Aethylurethan destillirbar und sublimirbar. Von den gewijhnlichen Lijsungsmitteln wird es leicht aufgenommen ; es geniigen zur L6sung von 1 Theil Urethan bei gewtihnlicher Tempcratur in abgerundeten Zahlen: 1 Thl. Wasser, 0,6 Thle. Weingeist, 1 Thl. Aether 1,3 Thle. Chloroform, 0,s Thle. verflussigte Carbolsaure, 3 Thle. Glycerin, 15 Thle. Ricinusiil und 20 Thle. Oliveniii. Die drei letztgenannten Lijsungen sind durch Erwkmen herzustellen, scheiden aber wahrend des Erkalteiis kein Urethan aus. In der Menge eines Tropfens auf dem Objecttrager der freiwilligen Verdunstung uberlassen, hinterlasst die wasserige Lijsung treppenfijrmig aufgebaute Tafeln, die weingeistige lange , dicht aneinandergeschlossene Spiesse mit zwischengelagerten , vereinzelten kurzen schiefen Saulen , die atherische feingestreifte Tafeln , diejenige in Chloroform endlich zugespitzte Saulengruppen. Die wasserige Liisung des Urethans reagirt neutral gegen Lackmas. Ton concentriyter Essigsaure wird Urethan in reichlicher Xenge aufgenommen, ebenso von massig verdunnten Dfineralsiiuren und zwar ohne bemerkenswerthe Farbenerscheinung. Die wasserige Liisung verhalt sich indifferent gegen Metallsalze. 81s eigentliche Identifatsreaktion des Urethans aber kann zunachst sein Verhalten gegen concentrirte Schwefelsiiure beim Erhitzen betrachtet werden. Es findet namlich hierbei, nachdem erst Liisung eingetreten ist , heftiges Aufschaumen in Folge reichlicher und nachhdtiger Gasentwickelung statt. Das entweichende Gas riithet feuchtes Lackmuspapier und trubt Kalkwasser , ist also Kohlensaureanhydrid. Ferner entwickelt das Urethan beim Erhitzen mit Kalilauge durch den Geruch zu erkennendes und in bekannter Weise mit rothem Lackmuspapier oder Salzsaure nachweisbares Ammoniak. , , G. Vulpius, Urethan. 799 Die Priifung des Urethans ergiebt sich aus den mitgetheilten physikalischen und chemischen Eigenschaften von selbst. Es muss in wasseriger Liisung neutral reagiren , in Wasser, sowie in Aether vollkommen liislich und beim Erhitzen ohne Riickstand fliichtig sein. Hauptsachlich jedoch wird man sein Augenmerk auf den Schmelzpunkt zu richten haben. Derselbe SOU zwischen 49 und 5 0 ° liegen, da man nur hierin ein einfaches Mittel besitzt , sich einerseits vor einem durch starken Feuchtigkeitsgehalt minderwerthigen Aethylurethan, andererseits vor Substituirung anderer Urethane zu schiitzen. Nacli Versuchen, die in der Merck’schen Fabrik , welche Urethan in griisseren Mengen fiir den medicinischen Bedarf darstellt , unternommen worden sind , schmilzt namlicli Methylurethan bei 52 O, Propylurethan bei 53 O und Isoamylurethan bei 60 O. Dabei erseheint es allerdings auffallend, dass hier eine Ausnahme von der Regel stattfinden soll, nach welcher sonst innerhalb homologer Reihen eine sich mit dem Ansteigen in der Reihe in gleicher Richtung bewegende Erhohung nicht nur der Siede-, sondern auch der Schmelzpunkte beobachtet wid. Ein erheblich unter 50° liegender Schmelzpunkt ist bei einem zu relativ niederem Preise angebotenen Urethan anderer Provenienz constatirt worden. Dasselbe schmolz schon bei 44 O und erwies sich als stark wasserhaltig. Wenden wir uns nun zu den physiologischen Eigenschaften, welche dem Urethan bei den Pharmakologen eu einer guten Meinung und zu einer so giinstigen Propose verholfen haben, dass manche glauben , dasselbe werde den Paraldehyd verdrangen. Vor letzterem hat es in erster Linie den nicht unangenehmen Geschmack und sehr leichte Liislichkait in Wasser voraus, SO dass man das Mittel einfach in wasseriger Lijsung ohne jedes Corrigens geben kann. Der Pharrnakologe S c h m i e d e be r g in Strassburg hat beziiglich der Wirkung an Thieren, J o l l y an der dortigen psychiatrischen Klinik an Menschen Versuche angestellt, und beide, sowie auch v. J a c k s c h an der medicinischen Klinik in Wien constatirten , dass man es in dem Urethan mit %inem vorziiglichen Hypnoticum zu thun habe, dessen Einfiihrung in den Arzneischatz durchaus berechtigt sei. Der letztgenannte Kliniker hatte zunachst durch Thierversuche festgestellt , dass 0,5 g Urethan auf 1 Kilo Kiirpegewicht noch keine toxischen Erscheinungen hervorrnfen , und dann bei 21) Kranken in 1 10 Einzelversuchen mit dem Mittel experimentirt. Hierbei hatte er mit keiner jener fatalen Nebenwirkungen eu kiim- 800 G. Vulpius, Urethiui. pfen , welche die Anwendung der meisten anderen bekannten Hypnotics so sehr erschweren. Dass Morphium hiiufig Erbrechen, Schwindel, Kopfsehmerz hervorriift und deshalb mitunter nicht extragcn wird, ist eine oft gemachte Erfahrung. Bei Chlorhydrat hat ller Arzt rnit der Maglichkeit des Eintretens von Herzschwache zu rechnen, Verabreichung von Bromsalzen kann neben oft beobachteter Akne zuweilen selbst Bromkachexie herbeifuhren , und gegen Paraldeliyd liaben viele Individuen einen ausgesprochenen Widerwillen. Nichts von alledem konnte in der Regel beim Gebrauch von Urethan wahrgenommen werden. Dasselbe wurde angewendet bei Lungentuberkulose , chronischem Gelenlsrheumatismus , Carcinomen dcr Leber und dcs Rectums, Aorta aneurysms, Purunkulose , Gehirntumor, Ruclienmarkstabes, Xlappeninsufficienzen, Caries der Wirbelsaule 11.s. w. und selten versagte es seine schlafbringende Wirkung, sobald die richtige Dosis von nicht unter 1 g gereicht wurde. Geringere Xengen von 0,25 und 0,5 g sind unsicher und verlangen iiftere Wiederholung, jene griissere Gabe aber fiihrt einen Schlaf herbei , welcher mit dem physiologischen die grijsste Aehnlichkeit zeigen soll. Dagegen darf nicht verschwiegeii werden, dass die Beeinflussung des Gehirns durch das Urethan nicht begleitet ist von einer solchen der Erregbarkeit des peripheren scnsiblen Apparates, so dass heftige neuralgische Schmerzen , Athemnoth und iknliche Zufiie dadurch nicht gernildert werden, wie dies wohl beim Morphiumgebrauch zu geschehen pflegt. Dafur fehlen aber nuch auf der andern Seite die bekannten ublen Nachwirkungen des letzteren ! Uebrigens ist nach S c h m i e d e b e r g das Urethan sowenig ein nnfehlbares Universalmittel zur Hervorrufung von Sehlaf, wie irgeiid eine andere Substanz. Miige diese Besprechung e k e s in nachster Zeit wolil hiiufig nrzneiliclie Verwendung finclenden K6rpers Veranlassung zu weiteren chemisehen Versuchen mit demselben geben, besonders aucli in der Richtung des Aufsuchens neuer Identitatsreaktionen und Priifungsmethoden , damit dann die Pharmakopiiecomiission des Deutschen Apothekervereins, falls dieselbe auch clieses Mittel in den Kreis ihrer Arbeiten und Publikationen ziehen sollte, ein recht reichlichcs thatsiichliches Material dazu vorfinde.
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