G . Baumert ) Ein colchicinahnliches Faulnissproduot. 911 Mittheilung aus dem chemischen Institute der Universitit Halle. Ueber ein colchicinahnliches Faulnissproduct. Ton G e o r g Raumert. bus des Verfassers Bericht uber die von ihm 1885186 im chemischen Universitatslaboratorium zu Halle ausgofiihrten toxicologischen Analysen. In meiner vorigen Mittheilung wurde bereits ein Fall muthmaaslicher Colchicinvergiftung erwahnt , iiber welchen ich mir nachstehend kurz zu berichten gestatte, weil nicht oft genug auf die Tauschungen aufmerksam gemacht werden kann , denen der gerichtlich-chemische Experte bei Ausmittelung von Alkalo'idvergiftungen ausgesetzt ist. In dem erwahnten Vergiftungsfalle welcher sich splter auf eine Denunciationssache reducirte , iiber deren Ausgang mir nichts belrannt geworden ist , war von vornherein auf ein bestimmtes Gift kein Verdacht vorhanden ; erst nachdem an der betreffenden Stelle des Stas Otto'schen Verfahrens die weiter unten beschriebene colchicinahnliche Substanz gefunden wurde - abgesehen von Spuren Blei und Kupfer deren Anwesenheit sich auch ohne Annahme einer Metallvergiftung ungezwungen erklaren liess - schien Colchicinvergiftung diagnosticirt. Zufdliger Weise wurde nun diese Diagnose noch durch einige aussere und in der Natur des Colchicins liegende Momente gestutzt. Zunbhst sollte die Vergiftung nach zeugeneidlicher Aussage durch Eaffee veranlasst worden sein und des Giftmordes angeklagt war auch gerade diejenige Person, welcher das Geschaft des Kaffeekochens oblag , namlich die Frau des Verstorbenen ; dieee sollte ausserdem mehrfach auf Beseitigung ihres Mannes abzielende Aeusserungen gethan haben. Nun ist aber der Begriff ,,Raffee" namentlich bei Leuten niederen Standes ein sehr dehnbarer und aus Theilen der ganz allgemein und auch als giftig bekannten Herbstzeitlose kann man sich leicht nach der Methode des Kaffeekochens eine allerdings sehr bittere Fliissigkeit herstellen, die aber auf die Bezeichnung Eaffee mit demselben Rechte Anspruch machen kann , wie Cichorienabsud. Ferner ist zur Beurtheilung des vorliegenden Falles hervorzuheben, dass seit der muthmaasslichen Vergiftung 22 Nonate vergan) 1) Diescs Archiv Bd. 25, Hcft 10 (1SS7). 912 G. Raumcrt , Ein colchicinahnliches Fanlnissproduct. gen waren und dass gerade das Colchicin xu den wenigen Alkalo’iden gehijrt , welche der Faulniss langere Zeit zu widerstchen vermijgen. Die Frage : wie lange? ist freilich noch nicht definitiv beantwortet; nach Dannenbergl ist es bis zu 3 Monaten bestiindig, wahrend die Zeitdauer fur die Nachweisbarkeit des Colchicins im faulenden Cadaver nach den Beobachtungen von Ogier etwa das Doppelte, also 6 Monate, betdgt. Ton vornherein war deshalb die M8glichkeit nicht ausgeschlossen, dass im vorliegenden Falle ein Beispiel noch langerer Nachweisbarkeit gegeben sei, zumal der Erhaltungszustand der trocknen und lederartigen Organreste auf das Obwalten conservirender Verhaltnisse schliessen liess; wird doch, woran hier erinnert sein mag, dem Colchicin selbst eine conservirende Wirkung zugeschrieben (Ogier 1. c.) Allen diesen ausseren Umstinden wurde unwillkiirlich Bedeutung beigelegt , nachdem die Analyse die Anwesenheit einer Substanz constatirt hatte , welche ihrer ausseren Beschaffenheit nach, sowie in ihren Lijslichkeitsverhaltnissen und ihrem Verhalten zii einer ganzen Reihe von Reagentien eine grosse Aehnlichlieit mit Colchicin besass. Die fragliche Substanz war aus saurer Liisung in Aether ubergegangen, ertheilte diesem eine g e l b e Farbe und hinterblieb beim Verdunsten des Liisungsmittels als g e l b e r , a m o r p h e r , in warmen Wasser wieder mit g e l b e r Farbe liislicher Ruckstand. Besonders leicht wurde sie der sauren Flussigkeit durch C h l o r o f o r m entzogen; auch Benzol und Amylalkohol nahm sie auf, n i c h t aber Petroleuniather. Alkalischen Flussigkeiten wurde sie von den genannten Lijsungsmitteln ungleich schwieriger entzogen, von Petroleumather wiederum nicht. Niemals gelang es, eine wasserige Lijsung, gleichgiiltig , ob sauer oder alkalisch , durch Ausschuttelu mit Chloroform vollstandig von dem fraglichen Colchicin zu befreien. Die Auszuge waren stets g e l b , lieferten beim Verdunsten s e h r s c h w a c h a l k a l i s c h e , deutlich b i t t e r , doch scharf schmeckende, amorphe g e l b e Ruckstande. Letztere liisten sich in Wasser und verdunnten Sauren, doch nie ganz vollstandig , sondern unter partieller Verharzung. Wurde das Harz in gani verdiinnter Natronlauge gelijst und diese Lijsung mit Schwefelsaure ubersattigt , so 1) Dimes Arcliiv 1877. Bd. X . p. 115. 2) Ebonda 1S86. Bd. XXIV, 11. 763. G. Baumert , Ein colchicinahnliches Faulnissproduct. 913 resultirte ein gelbes Filtrat , welches dieselben Reactionen lieferte, wie der whserige Auszug des urspriinglichen Verdunstungsriickstandes. Dieser war nicht fliichtig , verwandelte sich beim massigen Erwarmen in eine braungelbe, harte, gummiartige Masse, die sich bei hiiherer Temperatur vollstlndig zersetzte unter Verbreitung eines unangenehm basischen Geruches. Gegen Phosphormolybdtin- , Phosphorwolframsaure , Kaliumwismuth - , Kaliumquecksilberjodid , Jodjodkalium , Gerbsaure und Goldchlorid verhielt sich , wie Parallelversuche mit Colchicin zeigten, die aus den Objecten isolirte Substanz genau so wie das genannte Alkaloid; so erwiesen sich z. B. die Gerbsaureniederschlage beide in Alkohol liislich und hier wie dort Wrbte sich der Phosphormolybdanniederschlag unter der Einwirkung von Ammoniak blau. Concentrirte Schwefelsaure lijste das muthmaassliche Colchicin mit gelber Farbe , ebenso verdunnte Salpetersaure und Salzsaure. Starke Salpetersaure (1,4 spec. flew.), sowie das reine Hydrat lieferten eine schmutzig rothe, kaum violett zu nennende Fabung, die nach mijglichster Reinigung des Pdparates in ein schijnes Carmoisinroth iiberging. Znsatz von Rasser fiihrte das Roth in Gelb iiber, an dessen Stelle nach Zufiigung von Natronlauge ein dunkles , etwas schmutziges , Orange trat. Somit gab die fragliche Substanz auch, wenigstens im Wesentlichen, die Identitatitsreaction des Colchicins. Der Parallelversuch mit dem reinen Sammlungspraparate zeigte freilich mancherlei Abweichendes; wurde aber einem Theile der aus den Leichenresten stammenden wasserigen Fliissigkeit , nach miiglichster Erschiipfung mit Chloroform , ein Wenig reines Colchicin zugesetzt, so resultirte dann aus dem Chloroformauszuge ein Product, welches , obgleich es wirkliches Colchicin enthalten musste, sich bei der Identitiitsreaction wenig oder gar nicht von dem fraglichen Colchicin unterschied , namentlich zeigte sich auch statt der violetten eine rothe Farbung und die Farbenerscheinungen hatten im allgemeinen an Lebhaftigkeit wesentliche Einbnsse erlitten. Auch Dannenberg a giebt an , dass bei Gegenwart extractiver Stoffe aus 1) Das zu den Controllversuchen benutzte Alkaloid stammte thcils aus unserer Sammlung, theils stellte ich es selbst in analoger Weise wie die fragliche Substans dar. Herr Dr. Hornemann hier iiberliess mir freundlichst zu diesem Zwecke ein grossrrcs Quantum von Colchioumsamen. 2 ) Dieses Archiv 1877. Bd. X , p. 103. 914 G Baumert, Ein colchicinahnliches Faulnissproduct. Fleisch das Colchicin mit Salpetersiiure keine blaue , sondern eine rothe Fiirbung liefert , anderentheils ist diese Bothfarbung fifr den colchicinahnlichen Bestandtheil des Bieres charakteristisch. Ich will heute nicht auf die Frage eingehen, wodurch sich die aus den Leichenresten isolirte Substanz >.on dern colchicinahnlichen Bestandtheile des Bieres unterschied, da ich auf arund von inzwischen angestellten Tersuchen auf diese Substanz spater noch besonReps zuriickzukommen gedenke; ich begnuge mich vielmehr mif, dem Hinweise , dass beide Substanzen zwar entschiedene Aehnlichkeit mit einander zeigten , dass andererseits aber doch auch Unterschiede vorhanden warm, welche eine Identifiairung beider nicht wohl zuliemn. Im Gegensatze zu den bisher erwahnten durchaus zweifelhaften Reactionen liess sich eine wesentliche Verschiedenheit zwischen der isolirten enlchiciu5hnlichen Substam und dem Colchicin selbst in dem Verhalten beider zu Pikrinsaure und Platinchlorid constatiren, sofern die erstere rnit diesen Reagentien Niederschlage gab , wahrend Cnkhicin weder durch Pikrinsaure noch durck Platinchlorid gefallt Bezugliche Versuche mit reinem Colchicin bestatigten dies. wird. Ton Zeisel (1. c.) ist als Susserst empfindlich und charakteristisch eine Eisenchloridreaction des Colchicins bezeichnet worden, welche darin besteht, dass die golbe salzsaure Liisung des genannten Alkalo'ides beim Kochen mit Eisenehlorid sich griin bis undurchsichtig schwarzgriin fkrbt; wahrend des Erkaltens wird die Parbnng noch dunkler und truber. Schtittelt man die Fliissigkeit dann mit Chloroform, so scheidet sich dieses mit braunlicher , granatrother oder selbst undurchsichtig dunkler Farbung wieder ab, wahrend sich die daruber stehende Flussigkeit aufhellt , ohne indessen vollstandig entfarbt zu werden. Diese Reaction hat mir in der That einen wesentlichen Dienst geleistet , nachdem sie durch Vorversuche auf ihre Einpfindlichkeit gepriift und dem vorliegenden Zwecke angepasst war; sie ist eigentlich keine Colchicinreaction, sondern kommt dem Colchice'in und anderen Producten der Einwirkung van Salzsaure auf Colchicin zu, diirfte aber gerade deshalb einen gewissen Werth in toxicologischen Fallen besitzen, weil es nicht wahrscheinlich ist , dass Substanzen, welche die Mehrzahl der Colchicinreationen geben , auch Spaltungsproducte rnit Colchiceinreaction liefern werden. 1) Zeisel, Monatshefte fiir Chemie 1886. Bd. VlI, p. 582. . G. Baumert, Ein colcbiciniihnliches Fauluissproduct. 915 Zur Ausfiihrung dieser Reaction bringt man die auf Colchicin zu prufende wasserige Flussigkeit (2 -5 ccm) in ein Reagirrohr, fCigt 5 - 10 Tropfen rauchende Salzsaure und 4 - 6 Tropfen Eisenchloridl6sung (10 procentig) zu und kocht das Gemisch iiber einer kleinen Flarnme lehhaft 1-3 Ninuten, wobei etwa die Hdfte der Fliissigkeit oder auch noch mehr verdampft. Bei Gegenwart von wenigstens 1 mgr Colchicin nimmt die urspriinglich hochgelbe Lijsung allmahlich eine olivengiine Farbung an und wird mit steigender Concentration schwarzgriin und triibe , namentlich wahrend des Erkaltens. Schtittelt man dann die Flussigkeit unter thunlichster Begiinstigung dcs Luftzutritts mit einigen Tropfen Chloroform, so scheidet sich letzteres mit prachtvoll rubinrother Farbe ab und die dariiber befindliche wasserige Fliissigkeit ist schijn olivengriin gefirbt. Wahrend die Grunfirbung noch bei Gegenwart von l mgr Colchicin init voller Scharfe erkennbar ist , tritt die gleichzeitige Rothfirbung des Chloroforms erst bei 2 rngr Colchicin in 2 - 5 ccm Flussigkeit ein; bei 1,5 mgr scheidet sich das Chloroform rljthlich bezw. braunlichgelb, bei 1,0 rngr rein hellgelb ab. Man wird indessen , wenn irgend miiglich, zu dieser Reaction das Minimnm der zur Rothfarhung des Chloroforms erforderlichen Menge von auf Colchicin zu priifender Substanz verwenden uud dafiir lieber einige der wenig besagenden allgemeinen Alkaloidreactionen fallen lassen. Da das his zur dunklen Olivenfirbung eingekochte Gemisch von Colchicin , Salzsaure und Eisenchlorid nur das Chloroform, nicht aber Aether, Yetroleumather, Benzol , Schwefelkohlenstoff oder Amylalkohol roth farbt , so muss man annehmen, dass die rothe Substanz entweder nur in Chloroform lijslich ist , oder , was vielleicht wahrscheinlicher, dass sie sich erst auf Eosten des Chloroforms bildet. Die Rothfarbung ist tagelang unverandert bestandig. Jedenfalls ist diese Reaction sehr charakteristisch und trug im vorliegenden Falle vie1 zur Beseitigung meiner Zweifel bei, denn die von mir isolirte colchicinahnliche Substanz gab diese Reaction nicht , sondern sie zersetzte sich dabei unter Abscheidung ijliger Tropfen ohne Grunfibung und ohne Rijthung des Chloroforms. Die von Brouardel und Boutmy zur Unterscheidung von Pflanzenbasen und Fiulnissalkalo'iden empfohlene Reaction versagte auch hier, wie schon in mnnchen andern Fallen, vollstandig, weil das reine Colchicin ebenso wie die fragliche Substanz auf ein Gemisch 916 G. Baumert , Ein coIchioinahnIiches Fiiuhiusproduct. von Ferricyankalium und Eisenchlorid unter Bildung von BerlinerBku einwirlrt. Noch bevor ich iiber die Identitlt oder Nichtidentitgt der isalirten colchicinahnlichen Substanz mit Colchicin im Klaren war, sandte ich, urn das Urtheil einer Autoritgt auf dem Gebiete der Ptomaine zu hijren, eine kteine Probe an Herrn P r o f e s s o r Dr. L. B r i e g e r i n 13 er 1in. Gleichzeitig ersuchte ich Herrn P r o f e s s o r Dr. L. L i e b e r m a n n i n B u d a p e s t , welcher nnch einer kurzen Notiz in Maly's Jahresbericht ffir Thierchemie (1885) ein colchiciniihnliches Ptoma'in beobachtet hatte, um nzhere Auskunft iiber den betreffenden Fall. Beide Herren haben meiner Bitte in dankenswerthester Weise entsprochen und mir gestattet , von ihren Mittheilungen iiffentlich Gebrauch zu machen. Ueber das colchicin5hnliche Ptomain entnehme ich dem Briefe des Herrn P r o f e s s o r L i e b e r m a n n folgende Stelle: ,,Ich babe es aus Leichentheilen eines Mannes isolirt und zwar nach Stas-Otto's Methode. Es ging aus s a u r e r L8sung in Aether iiber und blieb nach dem Terdunsten des letzteren als g e l b e r amorpher Biirper zuriick. Seine wssserige Liisung war intensiv g e 1b. Auffallender Geschmack wurde nicht beobachtet. Mit Tanninliisung , Jodliisung , Goldliisung , Ealiumquecksilberjodid erhielt man deutliche Pallungen. Der K.tirper gab auch die charakteristische Reaction auf Colchicin (conc. Salpetersaure und Kalilauge) und hatte unbedingt fur Colchicin gehalten werden miissen, wenn ein vergleich mit reinem Colchicin nicht doch gezeigt hatte, dass in den Parbungen, die durch obige Reagentien hervorgerufen wurden , sehr deutliche Verschiedenheiten zu bemerken sind , wenn sich solche mit Worten auch schwer ausdrucken lassen." ,,In meiner ungarischen Originalmittheilung habe ich an dicsen Befund noch die Bemerkung geknupft, dass wir zwei Kijrper nie fur identisch halten diirfen, wenn sie von einander auch nur in der geringsten Kleinigkeit abweichen." ,,Ich mochte noch erwahnen , dass es nicht wahrscheinlich ist, dass der Mann, aus dessen Leiche jenes Ptoma'in gewonnen wurde, Bier getrunken hat, da in seiner Heimath das Bier fast unbelrannt ist." Die vorstehende chemische Charakteristik des von L. L i e b e r m a n n isolirten colchicinahnlichen Ptoma'ins stirnmt, wie man sieht, nahezu Tollstandig mit meinen obigen Angaben iiberein ; nur an G. Baumert , Ein colchicinahnliches Faulnissproduct. 917 Stelle des von mir constatirten bitteren und scharfen Geschmackes hat L i e b e r m a n n an seiner Substanz nichts Auffallendes bemerkt. Die brieflichen Ausfiihrungen des Herrn Pro f e s s o r Dr. B r i e g e r lassen sich burz dahin zusammenfassen: er habe bisher bei seinen Untersuchungen noch k e i n dem Colchicin ahnliches Ptomain gefunden, es lasse sich jedoch der Gedanke nicht von der Hand weisen , dass dergleichen Ptomaine vorkommen konnten; die ihm iibersandte Substanz sei weder ein vegetabilisches Alkaloid , noch ein Ptomain, sondern charakterisire sich in seinen ausseren Eigenschaften und LGslichkeitsverhaltnissen , sowie in seinem Verhalten zur Mehrzahl der gebraucllichen Alkaloldreagentien und durch sein starkes Reductionsvermiigen als ein p e p t o n ar t i g e r Stoff. Derselbe sei physiologisch unwirksam; selbst Manse, die gegen Gifte sehr empfindlich sind , hatten nach subcutaner Injection auf die vorliegende Substanz nicht im Mindesten reagirt. I n einem mir noch zu Gebote stehenden kleinen Reste der Substanz liess sich die Peptonnatur derselben entsprechend obiger Angabe , noch direct in bekannter Weise mit Millon’schem Reagens bestatigen , wahrend Colchicin mit demselben nur eine reine Gelbfarbung , wie bei Anwendung von verdiinnter Salpetersaure , lieferte. Da selbst einem Specialforscher mit so reichen Erfahrungen wie Brieger ein colchiciniihnliches Ptomain zur Zeit nicht bekannt ist, so darf man annehmen , dass auch Liebermann’s colchicinahniiches Ptomak kein alkalo‘idischer, sondern ein peptonartiger Stoff war, zumal derselbe , wie oben dargethan , mit der von mir isolirten Substanz chemisch vollkommen ubereinstimmte. Ton dem colchicinahnlichen Bestandtheile des Bieres, uber den ich spatiter einige Mittheilungen machen zu kiinnen hoffe, ist bis jetzt nichts bekannt , was der Annahme zuwider ware, dass auch diese Substanz ein Pepton sei. Es scheint somit der gerichtlich - chemische Nachweis des Colchicins voraugsweise , vielleicht ausschliesslich , durch Peptone gefahrdet zu werden, welche aus sauren wasserigen Liisungen durch dieselben Extractionsflussigkeiten (Aether , Amylalkohol , Chloroform u. s. w.> aufgenommen werden, deren man sich auch zur Isolirung des Colchicins zu bedienen pflegt , und die vorstehende Mittheilung zeigt , wie weit sonst noch die Uebereinstimmung eines Faulnisspeptons mit Colchicin gehen kann, SO dass sogar die eigentliche Identifatitsreaction dieses Alkalo‘ides nicht im Stande ist , absolute Ge- , 918 G. Brcnstein, Einwirk. coneont. Aetheratmosphare a. d. Leben v. Pflanzen. wissheit zu schaffen. Ausserdem sind die Nehrzahl der zum Nachweise des Colchicins dienenden Reagentien : Phosphormolybdinsaure, Jodjodkalium Ealiumquecksilber - und Kaliumwismuthjodid , sowie Goldchlorid und Gerbsaure gleichzeitig Peptonreagentien und fur den Nachweis des Colchicins mithin an sich ohne jeden Werth, den sie erst dadurch erhalten, dass die auf Colchicin zu priifende Substanz einer Behandlung unterworfen wird , welche die fernere Gegenwart peptonartiger Stoffe ausschliesst. Im vorliegenden Falle unterschied sich das Faulnisspepton vom Colchicin durch seine Fallbarkeit mittelst Pikrinsaure und Platinchlorid, sowie bei der oben ausfuhrlicher mitgetheilten Eisenchloridreaction selbstverstindlich auch im Verhalten gegen Millon'sches Reagens. Was die oben erwahnte Trennung des Colchicins von ihm ahnlichen Peptonsubstanzen anbetrifft, so ist bereits ein Weg von Dannenberg (1. c.) angezeigt ; nach ihm unterscheidet sich bekanntlich der colchicinahnliche Bestandtheil des Bieres vom Colchicin besonders dadurch dass nach Zersetzung des Gerbsaureniederschlages durch Bleioxyd die rothe Salpetersaurereaction nicht mehr eintritt, wahrend Colchicin bei gleicher Behandlung mit allen Eigenschaften regenerirt wird. Der Grund ist wahrscheinlich der, dass der colchicinahnliche Stoff aus dem Biere vermbge seiner eiweissartigen Natur eine in Alkohol , Aether und Chloroform unlijsliche Bleiverbindung liefert die das Colchicin als Alkalo'id nicht zu bilden vermag. Auf alle Falle ist es rathsam, bei toxicologischen Analpen der Priifung auf Colchicin die Reinigung der betreffenden Substanz mittelst Bleihydrates (s. Otto, Anleitung etc. p. 122) vorangehen zu lassen. ) ) ) ) Ueber die Einwirkung einer concentrirten Aetheratmosphare auf das Leben von Pflanzen. Ton Apotheker Dr. G. Brenstein aus Leer. Es ist eine den Pflanzenphysiologen schon langere Zeit bekannte Thatsache, dass sowohl Aether als auch andere Anasthetica, wie Chloroform, in geringen Dosen auf Pflanzen einen ahnlichen anasthesirenden Einfluss ausiiben , wie dies beim thierischen Organismus der Fa11 ist. Auch ist bereits constatirt, dass die PAanzen
1/--страниц