2() P. C. Plugge, Vergiftung mit Aconitin. Bewohner gebirgiger Gegend wissen recht wohl die wohlthatigen Wirknngen zu schatzen, welche schon ein Ersteigen der Berge dem Wandernden bietet. J e hoher man gelangt, desto reiner und angenehmer erscheint die Luft, desto weniger sind die nmgebenden Gelande geeignet, Iirankheitsstoffe zu halten, wenn nicht zufallig ortlich schadliche Sumpfe vorkommen. Frei und tiefer athmend schliirft man mit Wohlbehagen die balsamische Luft des Waldes ein, ergiitzt sich an den Blumen, an dem wechselnden Gestein, an der den Wald und den Boden belebenden Thierwelt. Hier ist der Natur es noch gestattet, den gebotenen Ausgleich zwischen Thier und Pflanze entsprechend zu formen, hier reinigt die Pflanze die Luft im reichsten Maasse und bietet die reinste Nahrung dem Erholung suchenden Thalbewohner , der vielleicht aus enger Zelle nunmehr den herrlichen Tausch der gesundheitathmenden Weite entdeckte. Der frische Quell bietet das Wasser; durch inassige Felsen gereinigt, sprudelnd belebt es das Auge und die griinende Decke des Bodens. Krankes Gemiith und erschlaffende Krafte finden hier Balsam und Heilung durch die Wanderung in der Natur. Vergiftung mit Aconitin. Von Professor P. C. P l u g g e , in Groningen. Anliisslich des bekannten Vergiftnngsfalles zu Winschoten mit Nitras Aconitini, wurden im April 1880 vom Gerichtscommissar zu Winschoten den1 Prof. Huisinga und dem Verfasser folgende Fragen zur Beantwortung vorgelegt : Erste Frage : Welche ist die verschiedenartige Wirkung der sub a, b, c, d und e genannten StoRe auf Thiere? Zweite Welche ist die verschiedenartige Wirkung jener Stoffe auf den menschlichen Korper? Welche Dose jener verschiedenen Stoffe hat eine Dritte todtliche Wirlrung zur Folge bei Thieren und im menschlichen Korper, die Dose der sub a genannten Fliissigkeit in Maass, Gewicht nnd Tropfen? Die Stoffe, welche uns dabei eingehandigt wurden und worauf die in den Fragen erwahnten Ruclistaben sich beziehen, waren Eolgende: P. C. l'lupgc, 21 Vergiftung mit i\conitin. ' a) Ein Arzneiflawhchen, enthaltend vine grYinc Flksigkeit. b) Ein Flachchen rnit Etiquette: Aconitin nitric. von M a s t e n broek & Gallenkamp2 c) Ein Flaschchen mit Etiquette: Aconitin nitric. von E. M e r c k in D a r m ~ t a d t . ~ d) Ein Flaschchen mit Etiquette: Aconitin nitric. von F r i e d l a n d e r in Berlin.4 e) Zwei glaserne Schiisselchen, welche nach der Angabc der zwei schon friiher ernannten Chemiker und Sachverstandigen : des Prof. T j a d e n M o d d e r m a n und des Apothekers v a n A n k u m , die Reste enthielten der Benzolausschiittlung aus der allralischen Flussigkeit, die erhaltcn war aus den vomirten Stoffen, dem Magen und den Gediirmen von Dr. C. M. Und weiter ein Uhrglas, das nach der Angabe der vorermiihnten Sachkiindigen den Rest der Benzolausschiittlung enthielt ails der alknlischen Fliissigkeit, die erhalten war aus: B l u t , G e h i r n , H e r z , L u n g e n , L e b e r , Milz, N i e r e n und H a r n b l a s e aus der Leiche Iron Ur. C , BI": Wir untersuchten zuerst das Praparat b Nitras Aconitini von P e t i t in Paris, weil, der Angabe ziifolge, dies benutzt war bei der Bereitung des Trankchens; sodann das Priiparat c von M e r c k , darauf das von Friedlander d. Wir konnten alsdann, durch die 1) Das hicr genieintc Areneimittel war bcreitet nach folgender \'urschrift von Dr. M. R. Aconitini nitrici O,% Tinct. Chenopodii Ambrosiod. 100. D. S. stiindlich 2 0 - 4 0 - 6 0 Tropfen. 2) Wir wollen dies weiterhin Nitras Aconitini von P e t i t nennen, s e i l ~ ' sich ergab, dass das von M. und G. gelieferte dennoch ursprunglich yon l ' e t i t in Paris bezogen war. Dieses Praparat wurde voin Apotheker bei Bereitung dcs Receptes gebraueht statt des Tom Arzte gemeinten (nicht aber besonders erwabnten) Nitras Aconitini von F r i e d 1a n d e r. 3) Dieses Praparat wurde vom Gerichtscommissar zur Untersnchung hinzugefugt, weil es auch beim Apotheker gcfnnden und m i t Rescblag belegt \\-orden war. 4) Hinsichtlich des F r i e d l a n d e r ' s a l i c n PrBparates rnussen wir noch bcmerkrn, dass es nach einer schriftlichcn Mittheilung T r o m m s d o r f s von ihnl dem F r i e d l a n d e r geliefert wird, sodass wir aus dieseni Grunde F r i e d l a n d e r s und T r o m m s d o r f s Aconitin-Nitrat fur den naniliehen Stoff halten. 5) Die sub e gemeinten Reste, welche die Chemiker aus den verschiedenen Leiehentheilen abgesondert hatten, enthielten nach ihrer Angabc nicht Aconit,in genug, dies durch ehemische Reagentien zu erkennen. h 22 P . C. Plugge, Vergiftung mit Aconitin. Untersuchung des Trankchens a rnit Sicherheit darthun, dass dasselbe wirklich mit Nitras Aconit. von P e t i t statt mit dem F r i e d 1a n der’ schen bereitet war. Auch konnten wir nach der Festsetzung der geringen letalen Dose von jedem erwiihnten Stoffe rnit Sicherheit angeben, dass in den sub e gemeinten Resten keine oder doch weniger als jene geringste Quantitat Aconitin anwesend war. Wiewohl durch diese Untersuchung einzelne Resultate erzielt wurden, die namentlich fur die Therapie nicht ganz ohne Interesse sind, haben wir dieselbe damals nicht publicirt, weil wir auch Resultate erzielten, die nicht iibereinstimmen mit dem, was man in der Literatur iiber die physiologische Wirkung des Aconitins aufgezeichnet findet. Ich beabsichtigte dies spater genauer zu erortern und zugleich mit einzelnen Theilen vom eingereichten Visum repertum zu publiciren. Durch andere Beschaftigungen und besonders dadurch, dass ich auf die Vollendung des im Aubau begriffenen pharmaceutisch- toxicologischen Laboratorium warten musste , wurde ich lange Zeit daran verhindert. W-ir geben hier nun einiges aus unserm Berichte, indem wir in einem folgenden Aufsatze die nahere Untersuchung uber die Wirkung des Aconitins auf Muskeln und Nerven besprechen wollen. b. N i t r a s A c o n i t i n i v o n P e t i t besteht aus weissen, harten Krystallen, die sich schwer auflosen in kaltem Wasser. Wir bereiteten eine Auflosung von 1/5 o/o fur unsere Experimente auf F r o s c h e , K a n i n c h e n , H u n d e und T a u b e n . Das Gift wurde stets in subcutaner Injection beigebracht, urn dadurch genau die gegebene Dose zu wissen und nicht Gefahr zu laufen, einen Theil des Giftes durch Brechen zu verlieren, wie dies, bei Hunden wenigstens, unumganglich der Fall gcwesen sein wiirde, wenn es in den Magen gebracht ware. Die Vergiftungserscheinungen, welche wir wahrgenommen haben, sind folgende : 1) Bei F r o s c h e n , nach abwechselnden Gaben 0,l bis 1,5 Mg., doch in bei weitem den meisten Fallen von 0,4 Mg., nahmen wir stets unmittelbar nach der Injection des Giftes Erscheinungen von heftigem Schmerze wahr j meistens zog das Thier die Vorderbeine iiber den Kopf und die Hinterbeine in einer sonderbar verzogenen Haltung iiber den Hinterleib, so dass es mit dem Bauche auf der Unterlage ruhte. Nachdem e8 einige Sekunden in dieser seltsamen Stellung verblieben war, begann das Thier mehrere fremdartige P. C. Plugge, Vcrgiftung mit Aconitin. 23 Bewegungen zu machen, wie Purzeln uber den Kopf, krampfhaftes Ausstrecken der Hinterbeine nach vorn langs dem Korper, unruhiges Hin- und Herspringen rnit kraftigen Satzen u. s. w. 2 und 3 Minuten nach der Injection trat eine starke Schleimabsonderung der Haut ein, die zuweilen so stark ward, dass das Thier ganz durch eine weisse, schaumformige Masse umhullt war. Die Athemholung, die schon bald nach der Injection langsamer und schwerer ward, horte bestandig nach 4 bis 5 Minuten ganz auf. Oft bemerkten wir heftigem Brechen ahnliche Bewegungen , mit weitem Oeffnen des Maules. Erweiterung der Pupille wurde oft wahrgenommen. Die unruhigen Bewegungen des Frosches verminderten sich alsdann allmahlich, z u e h wurde dabei der Zustand der Ruhe dann und wann durch eiuen einzelnen, kraftigen Satz abgewechselt, aber bald folgten allgemeine Lahmungserscheinungen, die wir den Angaben B o e hms und W o r t m a n n s l zuwider meistens friiher an den Vorder- als an den Hinterextremitaten eintreten sahen. Das Thier liegt dabei platt auf dem Teller, kann auf den Rucken gelegt werden und zuckt nur noch von Zeit zu Zeit krampfhaft mit den Hinterbeinen ; hat auch diese letzte Bewegung aufgehort, so bemerkt man, dass die Reflexerregbarkeit wohl abgenommen hat, dass aber auf starke mechanische Reize doch noch geraume Zeit mit mehr oder weniger krkftigen Bewegungen reagirt wird. Am besten controllirten wir das totale Verschwinden der Reflexerregbarkeit durch Reizung der Cornea. Sobald die Refleserregbarkeit ganz verschwunden war, untersuchten wir den innern Zustand des Thieres. Die unmittelbar unter der Haut liegenden Muskeln fanden wir besonders blutarm und demzufolge auffallend weiss. Das Herz wurde meistens in Diastole stillestehend gefunden und ebenso wie die Venen stark gefullt rnit dunkel violettroth gefarbtem Blute. Indem die Herzkammer stets ganz stillestehend gefunden wurde, sahen wir die Vorhofe meistens noch schwach und langsam klopfen. Das stillestehende Herz konnte weder durch mechanische, noch durch starke electrische Reize wieder zur Pulsation gebracht werden. Die Muskeln (uber die Nerven sprechen wir spater eingehendcr) wurden selbst durch schwache electrische Reize, wie normale Muskeln, stark contrahirt. 1) Untersuohungen ii. d. physiol. Wirkungen d. deutschen Aconitins. Arbeiten a. d. Physiol. Laborat. z. Wiirsburg 1873 p. 95. 24 P. C . Plugge, Bergiftung mit Aconitin. Zu einer einigermaassen naheren Untersnchung von der Wirkung des Aconitius anf das Herz benutzten wir wohl oder nicht cnrarisirte Frosehe, wobei auf die bekannte Weise durch cine fensterformige Oeffnung in der Brusthohle das Herz blosgelegt war, zuderu stellten wir einige Experimente an auf ausgeschnittene Froschherzen. Stets wurde das Resultat verglichen mit dem, was man bei normalen, doeh auf gleiche Weise priiparirten Froschen sieht. Die Erscheinungen, die wir dabei wahrgenommen haben, sind sehr eharakteristisch f i r Aconitin und schon friiher von A c h s c h a r u m o w und von Boehm sehr richtig unischrieben. W ir gebrauchten bei diesen Experimenten meistens Gaben von 0,4 Mg., wobei wir die von B o e h m wahrgenommene anfangliehe Beschleunigung nicht gewahr werden konnten.3 Die Freqnenz fanden wir zuweilen hoher und niedriger. Bald (5-10 Minnten) nach der Injection des Giftes machte Rich der Einfluss auf das Herz geltend nntl zwar so, dass stets die Bewegung der Tiammer sich fruher und bedeutender Bnderte als die der Vorhofe. Indem die Bewegung der Rusen sich oft nocli wenig oder gar nicht geandert hatte, sah man die Bewegung der Kammer in dem Sinne modificirt, dass zwei odcr mehr der VorhGfecontractionen gegen eine Pulsation der Kammer stattfanden. Weiter saheri wir, dass die Systole bald nicht kriiftig genug mehr war, das Bh11 aus der Kammer zu pressen, wobei wir bemerkten, dass jene Contractilitat am langstcn fortbeetand vor der Spitze des Herzens, so dass oft die Basis der Kanimer in fortwiihrend ausgedehntem ZuRtande verblieb, indem im mchr der Spitee zugewandten Theile noch ziemlich gute Contractionen wahrgenommen wurden. Die Herzlahmung setzte sich alsdann von der Basis der Kammer nach der Spitze fort, um schliesslich die ganzo Kammer in Diastole zum Stillstande zu bringen. I n hei weitom den meisten Fallen gewahrten wir aber besonders anregelmiissige , wurmfbrmige Hewegungen des Herzens, die sehr richtig von Rochni (Herzgifte p. 18) auf die folgende Weise beschrieben werden. ,,Nach einiger Zeit steigerten 1) A c h s c h a r u m o w , D., Untersuchungen u. d. toxirolog. Eigenschaften d. Aeonitins Arrh. f. Anat. Physiol. 1 8 6 6 p. 255. 2) B o e h m , R., Studien iiber Hcrzgifte. Wiirzhurg 1871. 3) Ob diese anfangliehe Beschleunigung wohl oder nicht bestehe, dariibei wollen wir uns spater aussprechen, fur den Augenblick wurden wir durch dic Art der Untersucbung verhindert , unsere Expcrimente mit periiigerer Dose und in gr6ssere.r Anzahl zii wiederholen. P. C. Plugge, Vorgiftung mit Aconitin. 25 sich die Erscheinungen (unregelmassige Contractionen) zu wirklichen Herzkrampfen. Das Herz , in all seinen Theilen stroteend gefullt, machte eigenthumliche, wurinformige, peristaltische Bewegungen und zwar in solcher Raschheit, dass man den naheren VerFerner (1. c. p. 21.) ,,Das Hauptlauf nicht beachten konnte." moment der Rhytmia des Herzschlags, das Abwechseln von Systole uud Diastole in regelmassigen Intervallen, hat aufgehort, und es ist unmoglich, das sich darbietende Phanomen zu beschreiben. Der Herzmaskel bemuht sich vergebens seinen Inhalt auszutreiben, er schleodert ihn gleichsam von einer Ecke des Herzens in die andere und so walzt sich eine auf kleine Strecken beschrankte Diastole in wurmformigen Bewegungen iiber das ganze Herz hin." Nachdem die Kammer in Diastole stillestand, sahen wir, wie schon oben bemerkt worden ist, noch einige Zeit Pulsationen von den Vorhofen ausfuhren. Schliesslic h stand das ganze Here stille, stark gefdlt mit dunkol violettrothem Blute. Hinsichtlich der Herzwirkung miissen wir zum Schlusse noch bemerken, dass sowohl Vagus- wie Sinus-Reizung ohne Wirknng blieb und dass das stillestehende Herz weder durch mechanische, noch durch starke electrische Reize z u r Pulsation genothigt werden konnte. 2) Den K a n i n c b e n haben wir Gaben von 0,8 Mg. (oder 0,5 bis 0,6 Mg. per Kilo) Nitras Aconitini gereioht. Unmittelbar nach der Injection geht das Thier unruhig hin und her und reibt mit den Hinterbeinen uber den Fleck, wo das Gift unter die Haut gebracht ist. Nach etwa 10-15 Minuten gewahrt man sehr charakteristische Kaubewegungen , bald folgt darauf ein reichlicher Fluss des Ppeichels, der oft mit schnell auf einander folgenden Tropfen aim dem M a d e fliesst. Die anfangs rothgefarbten und warmen Ohren werden dann auffallend bliisser und kalt. Die Bewegung des Thiers wird nun auch in Folge der Lihmung - namentlich dt:r Hinterbeine - sehr miihsam. Wenn das Thier zur Bewegung gezwungen wird, schleppt es den Hintertheil geliihmt mit sich fort, indem die Vorderbeine zur Fortbewegung noch geschickt sind. Bisweilen bemerkten wir fibrillare Bewegungen und schwache Krampfe der Bauchmuskeln. Die Athemholung wird allmahlich schwerer und cs bietrn sich Erscheinungen von heftiger Dyspnoe dar. Die Bewegungen des Herzens sind alsdann schon dermaassen geschwacht, dass sie nicht mehr durch die Brusthohle hindurch beobachtet werden konnen. Die Pupillen erweitern sich sehr stark 2G P. C. Plugge, Vergiftung mit Aconitin. und es tritt erhohte Secretion der Conjuctiva ein, 25 Minuten nach der Injection liegt das Thier auf der Seite, dann und wann einen winselnden Laut von sich gebend, die Nasenfliigel offnen sich weit und sind in starker Bewegung, auch das Maul offuet sich zeitweilen. Nach beziehungsweise langeu Pausen haben noch starke Athemholungsbewegungen statt, wobei das Diaphragma hoch und stark in die Brusthohle getrieben wird, es folgen dann meistens noch ein paar schwache Convulsionen und darauf sterben die Thiere etwa eine halbe Stunde nach der Injection. 3) Bei unsern Experimenten auf H u n d e haben wir Gaben von 0,45-1,6 Mg. Nitras Aconitini gereicht, oder berechnet auf ein Xilogramm Hund Gaben von 0,054-0,075-0,l und 0,21 Mg. Die Hunde mit 0,5 und 0,66 mgr. (oder per Kilo resp. 0,54 und 0,075 Ng.) erholten sich nach sehr heftiger und charakteristischer Aconitinvergiftung. Die anderen Hunde sind gestorben und es ergiebt sich dabei, dass mit grosserer Dose auch das Eintreten der Erscheinungen und des Todes beschleunigt wird. Die beobachteten Erscheinungen Rind : direct nach der Injection Symptome lokaler Reizung, das Thier leckt den Platz, wo die Injection geschah. 7 -1 5 Minuten, nachdem das Gift eingespritzt war, wird das Thier unruhig, lauft von einem Orte des Zimmers nach dem andern, um sich allemal wieder vorzugsweise in einem dunkeln Winkel niederzulegen. Immermehr folgen dann Erscheinungen von Unpasslichkeit, die Bewegung wird schwer und unsicher, die Beine und zwar namentlich die Hinterbeine - sind steif und werden beim schwankenden Gange weit von einander gesetzt. Nur wenn man dem Thiere eine beziehungsweise grosse Dose reichte, sodass der Tod innerhalb 20 Minuten eintrat, sahen wir keinen Speichelfluss, in allen anderen Fallen aber war dies eine standige Erscheinung, die 15 -20 Minuten nach der Injection anfing. Zugleich stellten sich dann auch Kaubewegungen und trat bald auch heftiges Brechen ein. Die vom Thiere vomirte Masse bestand am Ende aus einem sehr zahen, schaumformigen weissen Schleim; besonders in den Fallen, wobei nicht todtliche Doses gegeben worden waren, dauerte dieses Brechen sehr lange und machte dann eine der Haupterscheinungen der Vergiftung aus. Ee zeigen sich weiter auch Athemholungsstorungen und demzufolge Erscheinungen von Dyspnoe, die stets zunehmen, sodass das Thier mit geoffnetem und schaumbedecktem M a d e darniederliegt, + P. C. Plugge, Vergiftung mit Aconitin. 27 noch einige krampfhafte Athemholungsbewegungen macht und dann - ohne dass sich bestimmte Convulsionen einstellen -, stirbt. 4) Als vierte Thiergattung, die wir bei unserer Untersuchung benutzten, haben wir hier noch zu erwahnen, die Tauben. Bei einer Taube spritzten wir die sehr geringe Quantitat von 0,07mgr. (oder 0,22 Mg. per Kilo) Nitras Aconitini ein. Etwa 15 Minuten danach boten sich die ersten Erscheinungen dar, die in Lahmung bestanden. Das Thier sitzt mit schlaff am Korper herabhangenden Fliigeln; zwingt man es sich zu bewegen, so stellt sich heraus, dass es dazu mit blosser Hilfe der Beine nicht fahig mehr ist, die Taube gebraucht dann als dritte Stutze den Schnabel und kriecht in dieser seltsamen Stellung noch eine Weile fort, fYlt herum und richtet sich miihsam wieder auf. Die Anfangs schnellere Athemholung wird schwieriger; das Thier fallt von neuem, bleibt dann auf der Seite liegen und verendet unter Erscheinungen von Dyspnoe 21 Minuten nach der Injection. Bei den Xaninchen, Hunden und Tauben fanden wir bei der Section die Herzkammer stets stillestehend in sehr stark ausgedehntem Zustand und namentlich die rechte Seite stark gefullt mit dunkelrothem Blute. Die Vorhofe machten zuweilen gleich nach der Oeffnung der Brusthohle noch sehr schwache Pulsationen oder fibrillare Zuckungen. Das Diaphragma fandeu wir bei Kaninchen und Hunden sehr stark emporgerichtet, kugelformig in die Brusthohle getrieben. Das Herz fanden wir stets unempfindlich gegen starke , mechanische und elektrischc Reize, indem die Muskeln der geoffneten Brusthohle und des Diaphragmas durch elektrische Reize noch sehr stark contrahirt wurden. c. N i t r a s A c o n i t i n i v o n Merck. Dies ist ein gelbliches braunes Pulver, das sich in kaltem Wasser leicht auflost. Indem wir von diesem Praparat eine geringere Wirkung vermutheten, bereiteten wir eine Aoflosung von 1 Ole. Als Probethiere wurden auch hierbei Frosche, Kaninchen, Hunde und Tauben gebraucht. 1) Bei Froschen spritzten wir 0,4- 4,O Mg. ein; dann wurden die namlicheu Vergiftungserscheinungen sichtbar wie bei dem sub b beschriebenen Stoffe, doch bei Gaben von 0,4-2 Mg. war die Intensitat der Wirkung nicht s o heftig und schnell wie bei denen von 0,l-0,4 Mg. des Nitras Aconitini von P e t i t , auch war der ortliche Reiz nach der Injection anscheinlich vie1 weniger heftig. Die Erscheinungen bestehen auch hier in gesteigerter Schleimab- 28 P. C. Plugge, Vergiftung rnit Aconitin sonderung der Haut, die aber nicht bestandig und weniger reichlich als bei b sich einstellte. Die Athemholung hort meistens nach 4-5 Minuten auf, die charakteristischen brechactahnlichen Bewegungen und das Oeffnen des Maules traten auch hier ziemlich bestandig ein. Fibrillare Zuckungen wurden nur etliche Male beobachtet nnd bilden keine charakteristische Vergiftungserscheinung des Aconitin bei Froschen. Die Pupille erweitert sich meistens stark. Von b ist es hierin durchaus unterwhieden, dass hier die sonderbar verschrobene Stellung des Thieres gleich nach der Injection fehlt, sehr wahrscheinlich als eine Folge der geringeren lokalen Wirkung von c. Hier machte das Thier meistens direct nach der Einspritzung einige Satze, sass dann 1 oder 2 Minuten stille und machte dann durch regelmbssige Pausen abgewechselte Spriinge, bis sich nach einiger Zeit die Lahmungserscheinungen zu zeigen anfingen, in der Folge, dass erst die willkiirliche Rewegung und darauf die Reflexerregbarkeit verschwanden. Durch das Blosslegen des Herzens, sobald das Thier ganz unbeweglich geworden war, so wie durch besondere Experimente mit gefensterten Froschen und ausgeschnittenen Froschherzen wurde dargethan, dass die Wirkung auf das Herz qualitativ derjenigen gleichkommt, welche wir bei b beschrieben haben, dass aber zu einer gleich intensiven Wirkung des Stoffes c eine vie1 grossere Quantitat erforderlich war. 2) Bei K a n i n c h e n wurden Gaben von 10 und 3,5 Mg. (oder von 6,25 und 2 Mg. per Kilo) eingespritzt, wobei im ersten Falle der Tod nach 15 Minuten, im zweiten Falle nach 75 Minuten erfolgte. Die Erscheinungen sind wie die beim Stoffe b schon nach 5 -6 Minuten Kaubewegungen, Speichelfluss, fibrillare Muskelzucknngen und dem Brechact ahnliche Krampfe der Bauchmuskeln, unruhiges Umherlaufen, erweiterte Pupillen, Erscheinungen von Dyspnoe und Tod. 3) Bei einem H u n d e haben wir experimentirt mit 10 Mg. (oder per Kilo 1,65 Mg.) Nitras Aconitini. Nach 10 Minuten entstand starker Speichelfluss, Brechen, nach 15 Minuten war das Thier todt. Die Erscheinungen waren die namlichen, doch weniger heftig als bei den Hunden mit Stoff b. 4) Bei einer T a u b e wurde 0,4 Mg. (oder per Kilo 1,65 Mg.) injicirt, es boten sich hier keine wahrnehmbare Vergiftungssymptome dar. Vergleichen wir dieses Experiment mit dem sub b ange- P. C. Plugge, Vergiftung mit Aeonitin. 29 gebenen, so sehen wir, dass im letztern die geringe Dose von 0,07 Mg. (oder 0,22 Mg. per Kilo) schon in 21 Minuten den Tod herbeifuhrte, dass also nach diesem Experimcnte das Me rck’sche Praparat wenigstens 7 -8 Ma1 schwacher wirkt als das von P e t i t . Die Untersuchung von Herz und Muskeln dieser warmbliitigen Thiere ergab fur die Organe cin ghnliches Verhaltniss wie beim Stoffe b. d. N i t r a s A c o n i t i n i v o n F r i e d l a n d e r . Dieser Stoff ist eine zusammengeflossene, harte gummiartige Masse von granlich weisser Farbe, die in kaltem Wasser sich sehr leicht auflosen lasst. Wir bereiteten fur unsere Experimente eine Auflosung von 1:100. Die Experimente ergaben einen erheblichen Unterschied riicksicbtlich der beiden vorigen Stoffe, einen Unterschied, woraus erhellt, dass das Friedl a n d e r ’ s c h e Praparat ungeheuer viel schwacher und weniger giftig wirkt als das von P e t i t und auch viel schwacher als das Merck’sche. 1) Wir haben eine grosse Anzahl Experimente angestellt mit F r o s c h e n , wobei 4 - 10-20 und 40 Mg. Nitras Aconitini eingespritzt wurden. In all diesen Fallen gewahrten wir niemals Erscheinungen, die als eine Folge yon lokaler Reizung zu betrachten waren; Schleimabsonderung der Haut wurde dabei nicht oder nur sehr wenig wahrgenommen und liess sich wenigstens nicbt vergleichen mit dieser durch die beiden vorigen Praparate verursachten Erscheinung. Ueberhaupt bieten sich nach der Injection dieses Aconitin-Nitrats wenig oder gar keine charakteristische Vergiftungssymptome dar. Anfangs macht das Thier bisweilen einige Spriinge, bleibt aber bald ruhig sitzen, bis sich allmahlich auch Erscheinungen angehender Paralysis einstellen ; die Athemholung wird alsdann schwerer und hort schliesslich vollends auf; das Thier senkt den Kopf und scheint friiher im Vorder- als im Hintertheile paralysirt zu sein. Wenn das Thier keine willkiirliche Bewegungen mehr macht, gewahrt man dennoch auf mechanische Reize noch geraume Zeit Reaction, schliesslich wird auch die Reflexerregbarkeit = 0 und liegt das Thier gleichsam todt darnieder. Wurde nun bei derartigen Froschen, entweder gleich nach dem Verschwinden der Reflexerregbarkeit , oder einige Stunden spater das Herz blossgelegt, dann ergab sich, dass durch eine Gabe von 4 Mg. kein Stillstand des Herzens herbeigefiihrt war, wohl waren die Bewegungen schwiicher und in einzelnen Fallen sogar arytmisch, in dem Sinne, 30 P. C. Plugge, Vergiftung rnit Aconitin. dass die Vorhofe mehr Pulsationen machten als die Kammer, doch vollkommener Stillstand wurde in gleicher Zeitdauer sogar durch vie1 grossere Doses nicht erreicht. Einmal blieb die K a m m e r nach einer Gabe von 20 Mg. in 67 Minuten stillstehen, indem die Vorhofe noch gut pulsirten, bei einem andern Frosche mit 20 Mg. hatten sowohl die Kammer wie die Vorhofe nach 140 Minuten noch nicht zu klopfen anfgehort. Bei einer Vergiftiing mit 4 0 Mg. sahen wir nach 62 Minuten die Kammer noch schwach und langsam pulsiren, indem die Vorhofe noch 10 Ma1 per Minute pulsirten. Die Farbe des Blutes und demzufolge auch des blossgelegten Herzens waren sehr verschieden von denen bei den Stoffen b und c ; anstatt des dunkel violetten Roth, wie bei den zuletzt erwahnten Stoffen ist nach einer Vergiftung rnit Nitras Aconitini von F r i e d l a n d e r die Farbe des Bluts nicht sichtlich verandert. 2) Bei K a n i n c h e u haben wir 6 und 2 4 M g . (oder per Kilo 4,11 und 18 Mg.) eingespritzt, ohne irgend eine Vergiftungserscheinung zu erzielen. Darauf haben wir einem jungen Kaninchen mit einem korperlichen Gewichte von 505 g. 50 Mg. (oder per Kilo 85,5 Mg.) eingespritzt, wodurch freilich starke Vergiftungserscheinungen : Kauen, Speichelfluss, Lahmung, namentlich der Hinterextremitaten, Dyspnoe u. s. w. eintrateu, allein diese fuhrten keinen todtlichen Ausgang herbei. Nach ungefihr 4 Stunden hatte das Thier die schlimmsten Erscheinungen iiberstanden und am nachsten Morgen hatte es sich vollstandig erholt. 3) Ein H u n d , dem wir 2 8 Mg. (oder 6 Mg. per Kilo) gereioht hatten, wurde gar nicht beschadigt und 4) eine T a u b e , bei der 10 Mg. (i. e. per Kilo 33,4 Mg.) injicirt worden war, bot ebensowenig irgend eine Spur von Vergiftung dar. Diese Taube wurde also nicht beschadigt durch eine Dose, die 150 Ma1 grosser war als die von 71, an der eine Taube in 21 Minuten starb. Da man uns nur eine geringe Quantitat der Friedlander’schen Nitras Aconitini zur Verfugung gestellt hatte, konnten wir unsere Proben nicht weiter mit grosseren Quantitiiten fortsetzen. Daher ist es uns nicht gelungen, ein warmbliitiges Thier rnit diesem Priiparat zu todten, was aber auch bei dem schon erwiesenen ungeheuren Unterschied der Wirkung nicht eben nothwendig war fir unsern Zweck. P. C. Plugge, Vergiftiing mit Aconitin. 31 a. Da wir die Wirkung der drei genannten Stoffe b, c und d durch die beschriebenen Proben erkannt hatten, untersuchten wir nun noch das T r a n k c h e n a. Auch zii dieser Untersuchung bedienten wir uns der Frosche, Kaninche, Hunde und Tauben. Das Resultat der Experimente, das wir hier nicht eingehender umschreiben wollen, war derartig, dass wir mit vollkommener Sicherkeit constatiren konnten, dass bei der Bereitung des erwahnten Trankchens zu dem vorgeschriebenen Nitras Aconitini das Praparat von P e t i t benutzt worden war, aluo ein franzosisches Aconitinnitrat. e. Nachdem wir also dargethan hatten, dass der Stoff, mit dem die todtliche Vergiftung stattgefunden, Nitras Aconitini von P e t i t war, kamen nun noch die sub e bezeichneten und von den Chemikern aus der Leiche von Dr. N. ansgesonderten Stoffe zur Untersuchung an die Reihe. E s war jenen Sachkundigen nicht gelungen, vermittelst chemischer Reagentien die Anwesenheit Aconitins in jenen Resten zu beweisen; man wiinschte daher zu erfahren, ob durch physiologische Experimente Sicherheit dariiber zu gewinnen ware. Da die erwahnten Reste die Glaser nur mit einer ausserst dinnen Fettschicht bedeckten, meinten wir am sichersten ein gutes Resultat zu erzielen, wenn wir die ganze Quantitat des Stoffes von den beiden Schiisselchen, sowie auch die Tom Uhrglase jede fur sich in Auflosung zu einem einzigen Experimente rerwendeten. Indem wir weiter bei unserer Untersuchung mit dem Stoff b ausfindig gemacht hatten, dass eine Taube schon durch eine Gabe von 0,07 Mg. innerhalb 21 Minuten starb, wahlten wir zu jenen Proben Tauben. Bei der Auflosung in sehr verdiinnter Salpetersaure ergab es sich, dass die Reste zum bei weitem grossten Theile unauflosbar waren, sodass wir beschlossen ein wenig Weingeist hinzuzuf~gen,um die Ausziehung und Auflosung des etwa anwesenden Aconitins zu fordern. Die also erhaltenen Fliissigkeiten wurden jede besonders (d. h. die aus den beiden Schiisselchen und die aus dem Uhrghse) durch subcutane Injection einer Tanbe eingespritzt, fihrten aber bei keiner Taube irgend eine Spur von Vergiftung herbei, wodurch wir uns fur berechtigt hielten zu dem Urtheil, dass in den erwahnten Resten kein oder wenigstens vie1 weniger als 0,07 Mg. Aconitin vorhanden sein konnten. Da die Vergiftung von Dr. M. die Folge einer Irrung war, und folglich feststand, dass sie durch Nitras Aconitini von P e t i t 32 P. C. Plugge, Vergiftunj mit Aconitin. verursacht war, da weiter die von ihm genommene Dose 3-4 Mg. betrug, wurde das nicht Wiederfinden des A c o n i h s veranlasst entweder durch das Ungenugende von der Methode der Aussonderung oder, was wir Wr nicht unwahrscheinlich halten, dnrch vollstandige oder theilweise Zersetzung des Alkalo'ids im Korper. Hinsichtlich der Dosis letalis leiten wir aus unseren Experimenten, die ich nach der Einsendung nnseres Visum repertum noch mit vielen vermehrt habe, Folgendes ab. I n den Tabellen bedeutet das Zeichen cx?, die endliche Wiederherstellung des Thiers. b. N i t r a s A c o n i t i n i v o n P e t i t i n P a r i s . sterb. durch Gabenv. 0,4Mg., od. p. Kilo 16 Mg., durchseh. i. 6 0 Min. Frosche - - 0,s - - - - 0,5-0,6 - 30 Kaninchen Hunde - - - 1,6 - - - - 0,21 - 20 do. - - 0,45 - - - - 0,lO -140 do. - - 0,50 - - 0,054 - CX) do. 0,66 - - - 0,075 -00 Tauben - - 0,07 - - - - 0,22 - 21 - - - c. N i t r a s A c o n i t i n i v o n E. M e r c k i n D a r m s t a d t . F r o sohe sterb. durchGaben v. 0,4Mg., od. p. Kilo 16 Mg., durchsch.i. (m Min - - 1,o - - - - 40 120-360 do. do. - -2,o. - 80 - 75-130 - - 4,O - - - - 160 do. - -52 Kaninchen - 3,5 - - - - 2 - -75 - - 10,0 - - - - 6 , 5 2 do. - - 15 1,65- - 10,0 - - - Hunde - - 15 - 0,4 1,65Tauben - - 03 - - - - - _I d. N i t r a s A c o n i t i n i v o n F r i e d l a n d e r i n B e r l i n (-Trommsdorf in Erfurt). F r o s c h e sterb.durchGabenv. 4Mg., od.p.EilolGOMg., durchschi. 00 Min. do. - - 1 0 - - - - 400 do. - - - 2 0 - - - - 800 --Imehra1s60do. - - 4 0 - - - - 1600 6 Kaninchen - - - 4,11 - c m do. - - 24 - - - - 10,O - -0c'50 - - - - 85,5 do. - - 0 0 Hunde - -28 - - 6,0 Tauben - 10 - - - -33,4 - - - 0 0 - - - - -\ - - - - - = - Wie wir schon bemerkten, war unsere verfiigliche Quantitat Nitras Aconitini von F r i e d l S n d e r zu gering, die Dosis letalis bei warmblutigen Thieren zu bestinimen , nur beini Kaninchen mit P. 0. Plugge, Vergiftung mit Aoonitfn. 33 85,5 Mg. per Kilo gewahrten wir ziemlich starke Vergifiungserscheinungen. Aus diesen Ziffern und Experimenten kann man auf folgende Schlusse ziehen : 1) Nitras Aconitini von P e t i t wirkt wenigstens 8 Ma1 starker giftig als das von Merck. 2) Nitras Aconitini von P e t i t wirkt wenigstens 170 oder mehr Ma1 starker giftig als das von F r i e d l a n d e r . 3) Nitras Aconitini von M e r c k wirkt wenigstens 20-30 Ma1 starker giftig als das von F r i e d l a n d e r . 4) Als ein nicht unwichtiges Resultat betrachten wir das von uns erwiesene Factum, dass nicht alles, was unter dem Namen deutsches Aconitin im Handel vorkommt , auf eine Linie geetell’ werden darf, dass im Gegentheil im Grade der Giftigkeit der zwei deutschen Sorten ( M e r c k und F r i e d l a n d e r ) ein grosserer Unterschied besteht als zwischen dem sub b bezeichneten franzosischen Praparat und dem wirksamsten deutschen Praparat, namentlich zwischen dem von P e t i t und von Merck. Denn nach vorstehenden Zahlen bekommt man als Giftigkeitsverhaltniss jener Praparate Friedlander :Merck = 1: 20- 30 und Merck : Petit = 1 :8. 5) Wie sich aus der Beschreibung der Vergiftungssymptome ergab, besteht zwischen der Wirkung des Nitras Aconitini von P e t i t und der des Merck’schen nur ein quantitativer Unterschied. Qualitative Unterschiede konnten wir nicht ausfindig machen. Beide Handelssorten sind h e f t i g e H e r z g i f t e , Stillstand des Herzens ist hier Ursache des Todes und bei diesen Praparaten ist also die Wirkung auf das Herz von grosserem toxicologischen Interesse als die allgemeine Paralysis. 6) Das Nitras Aconitini von F r i e d l a n d e r ist wenigstens anscheiulich qualitativ in der Wirkung verschieden, denn bei einer Dosis von 2- 4 Mg. pulsirt bei Froschen das Herz - wenig oder auch wobl gar nicht modificirt - immer weiter, und hat sich selbst herausgestellt, dass durch vie1 grossere Gaben das Herz wenig afficirt wird. Dadurch treten hier die Lahmungserscheinungen mehr hervor, das aussere Vergiftungsbild der Frosche gleicht dem von Curare. Bei sehr grossen Dosen von 20- 40 Mg. bei Froschen sieht man aber auch die fur Aconitin so charakteristischen, wurmformigen Bewegungen des Herzens bisweilen eintreten und bei grossen, den Kaninchen eingespritzten Gaben erblickten wir auch Arch. d. Pharm. XX Bds. 1. Heft. 3 94 P. 0.Plugge, Vergiftung mit Aconitin, die bei den beiden nnderen Prhparaten beobach teten Vergiftungserscheinungen wie: Kauen, Speichelfluss, erschwerte Athemholung, Dyspnoe etc. ..____ Aus dern Grunde, dass die Giftigkeit der Stoffe, die unter dem namlichen Namen in den Handel komnien, so ungeheuer verschieden i s t, muss also die grosste Vorsicht bei dem Verschreiben des Aconitins und seiner Salze empfohlen werden. Denn wenn der Medicus die Wirkungsweise, die Maxima,dosis eines bestimniten Praparates durch Erfahrung erkannt hat, so besteht die gefahrliche Moglichkeit, dass bei einem neuen Einkauf des Praparates durch den Apotheker eine Handelssorte von ganz verschiedener Starke empfangen wird, und dass der Arzt bei der Verordnung der namlichen Quantitat, seinen Patienten statt einer medicinalen eine letale Dosis eingiebt. Also verhielt sich die Sache zu Winschoten, wo statt des vom Medicus gemeinten (aber nicht auf dem Recept bezeichneten) Nitras Aconitini Friedlanders, vom Apotheker geliefert wurde eine Solutio des wenigstens 170 ma1 starker wirkenden Nitras Aconitini von P e t i t . Durch diese Facta veranlasst , halten wir es fir nothwendig, dass das Aconitin mit seiner jedesmaligen Maximaldosis von 4 Mg. (im erwahnten Vergiftungsfalle dosis letalis) und von 32 Mg. taglich aus der Pharmacopoea gestrichen werde. Durch den erheblichen Unterschied in der Wirkung der verschiedenen Handelssorten des Aconitins , erklart es sich auch, davs man in der Literatur uber die toxicologische Wirkung dieses Alkalonds so viele sich widersprechende Angaben fiudet. Die altePereira8, Fleming, ren Mittheilungen von T u r n b u l l , C h r i s t i s o n 4 , H a d l a n d 5 u. a., beziehen sich auf englisches Aconitin, datl theils bereitet ist aus Aconitum Napellus, theils aus Aconitum ferox. C:. D. S c h r o f f 6 wandte ein Aconitin von Merck 1) On the preparation and med. empl. of Aconit. by the enderm. method. and the treatment of tic doulour. and other painfull aEections. London 1834. 2) Elements of mat. medica 1842. 11. p. 1811. 3) Prize thesis, on the physiological and med. propert of the Acon. Napellus. Edinburg 1844. 4) A Treatise on Poisons. 4. Ed. Edinburg 1845. p. 870. 5) An Essay on the Action of medicines. London 1852. p. 341. 6) Einiges iiber Aconitum in pharmacogn., toxicologisch. und pharmacol. Hinsicht. Prag, Vierteljahrschr. 2. 1854. P. C. Plugge, Vergiftung mit Aconitin. 35 in Darmstadt an, LBonides v a n P r a a g ' einpraparatvon T r o m m s dorf in Erfurt. A c h s c h a r u m o w 2 giebt an, dass das von ihm benutzte d e u t s c h e A c o n i t i n beeogen war von M e r c k in Darmstadt, von T r o m m s d o r f in Erfurt und von S c h e r i n g in Berlin. Nirgends aber finde ich erwahnt , dass er eine verschiedenartige Wirkung bei diesen drei Praparaten beobachtet hat, was mich um 80 mehr verwundert , als das von uns untersuchte Aconitinnitrat von F r i e d l a n d e r eigentlich als Aconitin von T r o m m s d o r f betrachtet werden kann. B o h m und H a r t m a n n bedienten sich bei ihren Untersuchungen nur des M e r c k'schen Prliparates. Meistens wurde also untersucht mit einem ,,d e u t s c h e n " Prgparat und dabei das Factum ubersehen, dass die blosse Unterscheidung in d e u t s c h e s , f r a n z o s i s c h e s und e n g l i s c h e s Aconitin von wenig oder gar keiner Bedeutung ist. Ein in E n g l a n d bereitetes Aconitin aus Aconitum Napellus wird namlich verschieden sein von dem dort ebenfalls unter dem Namen Aconitin in den Handel gebrachten Praparat aus Aconitum ferox - dem Pseudoaconitin. Das franzosische Aconitin von D u q u e s n e l kommt wie von W r i g h t and L u f f 4 dargethan ist, am meisten dem reinen Acotin gleich und ist also auch verschieden von und wirksamer als das sogenannte franzosische Aconitin von Hot t o t und Lit5 g o i s. Endlich kann das deutsche Aconitin von M e r c k und von F r i e d l a n d e r , wie wir dargethan haben, nicht ohne Gefahr unter demselben Namen ,,deutsches Aconitin " in den Handel gebracht werden. Der Name deutsches Aconitin verhiirgt also die Gleichformigkeit der Wirkung nicht, wie man meint und wie sich u. a. ergiebt a m einem Handelsbericht dieses Jahres von G e h e in Dresden. Dass man im Aconitin von T r o m m s d o r f (Friedlander) auch fruher ein ziemlich unwirksames Praparat besass, leiten wir daraus ab, dass L. v a n Y r a a g bei seinen 1854 publicirten Untersuchungen (1. c. p. 445) den Kaninchen Gaben von 100 und 400 Mg. 1) Aconitin. chip. - Toxicologisch pharmacodynamische Studien. Bd. VII. 1854. p. 438. 2) 1. c. 3) 1. c. 4) Journal of the Chemical Society 1878. Virchow's Ar- Ytr P. C. Plugge, Vergiftung mit Aconith. Aconitin beibringen konnte, ohne mehr als leichte und schnell voriibergehende Vergiftungssymptome zu erregen. Bei Hunden wurde er bisweilen nach Gaben von 200 Mg. nur Brechen gewahr. Von einem aus den Aconitinblattern von T r o m m s d o r f bereiteten Aconitin reichte er Hunden Gaben von 260 und 325 Ng. ohne dadurch den Tod zu verursachen. A c h s c h a r u m o w (a. a. 0. p. 264) sah Heilung bei Kaninchen nach 15 und 30 Mg. Er sagt: ,,Die Dosen 0,015-0,030 unter die Haut werden von Xaninchen ertragen. Die Dosis 0,060 ist todtlich." Eine Taube erholte sich nach einer Gabe von 15 Mg. p. o s , starb durch 10 Mg. subcutan in 30 Ninuten. Am Schlusse seiner Abhandlung (p. 282) sagt A.: ,,Das kleine Thier, das Kaninchen, bleibt unbeschadigt von 0,010 unter die Haut und 0,100 in den Magen, also konnten wohl diese Dosen einem erwachsenen Xenschen gereicht werden", u. s. w. Leider erwahnt A. dabei nicht, auf welches der drei von ihm gebrauchten Praparate dies sich bezieht. Sein Stillschweigen iiber die Verschiedenheit der Wirkung und die Bemerkung: ,,Alles hier Geschriebene bezieht sich nur auf das deutsche Aconitin", ist wohl ein Beweis, dass er die drei Praparate nicht als verschieden betrachtet. Gestiitzt auf unsere Experimente nun diirften wir die hier erwahnte Conclusion von A. hochstens zugeben fiir das Praparat von T r o m m s d o r f ( F r i e d l a n d e r ) , nicht aber fiir das von Mer ck. Die Moglichkeit besteht aber, dass auch die zu verschiedenen Zeiten von demselben Fabrikanten gelieferten Praparate eine verschiedenartige Wirkung haben und also das von friihern Untersuchern gebrauchte M e r c k ' sche Priiparat weniger wirksam war, als das von u n s unter seinem Namen benutzte. Sehr wichtig wurdc es zur Erklarung jener grossen Unstetigkeit der Wirkung kein, dem Unterschied der chemischen Zusammensetzung fur alle jene Handelssorten nachzugehn. Durch die Untersuchungen von W r i g h t and L uff hat Kich erwiesen, dass in den Xnollen des Aconitum Napellus ausser Aconitin noch xwei andere Stoffe enthalten sind, das unwirksame bittere Picraconitin (C31H45N0'0) und einen dritten noch nicht naher untersuchten Stoff. In Folge der mehr oder weniger sorgfaltigen Bereitung , des verschiedenartigen Wachsbodens der Knollen ti. s. w. konnen also die im Handel unter demselben Namen vorltommenden Priiparate Xischungen sein die des giftigen Aconi' 0. Helm, Beitrag zur Eenntniss der Zmammensetzung der Steinkohle. 37 tins mehr oder weniger enthalten. Bekanntlich schmecken etliche Handelspraparate sehr bitter , wahrend bei andern Praparaten der bittere Geschmack gegen einen sehr scharfen zuriicksteht. Weiter ist von W r i g h t and Luff dargethan, dass Aconitin unter bestimmten Urnstanden Wasser abgeben kann und dabei in Apoaconitin ubergeht. C33H43N012 __H 2 0 = C33H41N011. A poaconit in Aconitin dass es sich unter andern Umstanden in Benzoesaure und eine neue Basis Aconin zersetzt. HZ0 = C6H5COOH C26H39N0'1. C33H"N012 Aconitin Benzoesaure Aconin. Die Moglichkeit besteht also auch, dass in Folge der Bereitung im Handelspraparate mehr oder weniger von diesen Zersetzunguproducten (Apoaconitin und Aconin) vorkommen, die sofern mir bekannt ist, noch nicht physiologisch untersucht sind. Der Zweck unserer Untersuchung und die Zeit , welche darauf verwendet werden konnte, schlossen selbstverstandlich diese Richtung aus ; es war uns - vorlaufig wenigstens - nur zu thun um die Beantwortung der Frage , wie sich die verschiedeuen Handelssorten hinsichtlich ihrer Wirkung verhalten. + + Beitrag zur Kenntniss der Zusammensetzung der Steinkohle. Von O t t o H e l m , Danzig. Band 2 1 3 , S. 507 dieser Zeitschrift machte ich bereits bei Belegenheit meiner Untersnchungen iiber den Schwefelgehalt des Asphalts und anderer Retinalithe daranf aufmerksam , dass auch in der Steinkohle neben dem an Eisen gebundenen Schwefel Schwefel vorhanden sein musse, welcher mit der organischen Substanz der Xohle selbst in Verbindung getreten ist. Ich folgerte solches aus dem Umstande, dass Steinkohle , in einem geschlossenen Gefasse mit eingesenktem Thermometer erhitzt, schwefelhaltige sowohl gasformige, wie auch fliissige Producte abgiebt und zwar bei einer Temperatur, welche weit unter der liegt, bei welcher regulinischer Schwefel verdampft, resp. zweifach Schwefeleisen sich zersetzt.
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